Das Zeitalter Kaiser Franz Josephs. Teil 1: Von der Revolution zur Gründerzeit
Niederösterreichische Landesausstellung 1984
Das Zeitalter Kaiser Franz Josephs. Teil 1: Von der Revolution zur Gründerzeit
Niederösterreichische Landesausstellung 1984Schloss Grafenegg
19. Mai bis 28. Oktober 1984
380.268 Besucherinnen und Besucher
Wissenschaftliche Ausstellungsleitung:
Harry Kühnel
Adam Wandruszka
Ausstellungsgestaltung:
Ferdinand Zörrer
Irmgard Grillmayer
„Das ungebrochene, in den letzten beiden Jahrzehnten in gesteigertem Maße feststellbare Interesse an der Person Kaiser Franz Josephs und seines Zeitalters darf als Phänomen bezeichnet werden“, stellte Harry Kühnel fest. Der Leiter des Kulturamtes der Stadt Krems war gemeinsam mit dem Historiker Adam Wandruszka Ausstellungsleiter der Landesausstellung 1984. Dieses Interesse verwunderte umso mehr, als es auch in Ländern feststellbar war, die dem Kaiser und der Habsburgermonarchie einst ablehnend gegenüberstanden.
Diese Epoche gehört zweifellos zu den faszinierendsten der österreichischen Geschichte, wobei „keineswegs das Bild der ‚guten alten Zeit‘ gezeichnet werden kann, zu gravierend waren die Schattenseiten in vielen Bereichen“ (Kühnel).
Die Habsburgermonarchie war mit Regierungsantritt Kaiser Franz Josephs 1848 dem Umfang und der Bevölkerungszahl nach der drittgrößte Staat Europas, jedoch ein äußerst komplexes Gebilde. Zwischen den einzelnen Kronländern und Regionen bestanden unglaubliche Spannungen, die Menschen lebten gleichsam in unterschiedlichen Zeitaltern. „Den wirtschaftlichen und sozialen Unterschieden, dem enormen Nachholbedarf gegenüber den westeuropäischen Staaten versuchte der Neoabsolutismus durch Modernisierung des gesamten Staatswesens in Verwaltung, Unterricht, im Rechtswesen und durch geeignete Maßnahmen in der Wirtschafts-, Handels- und Finanzpolitik zu begegnen“, analysierten Wandruszka/Kühnel.
Der wirtschaftliche Aufschwung und die zahllosen Industriegründungen – ein rauchender Schlot galt damals als Symbol des Wohlstandes – lösten jedoch eine Reihe von Problemen aus, sei es im Bereich des Wohnens, der städtischen Infrastruktur und des öffentlichen Gesundheitswesens. In den frühen 1880er Jahren, am Ende des Darstellungszeitraumes der Ausstellung, waren erfreuliche soziale Ansätze zu beobachten (z. B. 11-Stunden-Tag, Einschränkung der Frauen- und Kinderarbeit), nachdem man mit den Dezembergesetzen von 1867 die allgemeinen Rechte der Staatsbürger gewährleistet hatte.
Das Ausstellungskonzept sah vor, dass mit dem Verlauf der Ereignisse im ersten Stock des Schlosses die Bereiche Politik, Wirtschaft und Soziales gezeigt wurden, im zweiten Obergeschoss wurden die kaiserliche Familie, der Adel und die Kirche präsentiert sowie die bildenden Künste, Literatur, Musik und Theater jener Epoche dokumentiert.
Es wurde keine Vollständigkeit angestrebt, sondern es sollte vor allem das Zeitalter charakterisiert werden. „Es war auch das Bestreben, ‚Atmosphäre‘ des 19. Jahrhunderts zu vermitteln, sei es in einer Straßenszene aus Wien, im Aufbau eines Krämerladens, in der Errichtung einer Backstube und einer Schuhmacherwerkstätte, der Wiedergabe eines Klassenzimmers und einer Beamtenstube“, erklärten die beiden Ausstellungsleiter.
Noch wenige Jahre zuvor hätte man es kaum geglaubt, dass in Grafenegg eines Tages eine Landesausstellung durchgeführt werden könnte, denn Grafenegg hatte im Laufe seiner Geschichte Verwüstungen und glanzvolle Zeiten erlebt, schrieb der Besitzer des Schlosses, Franz Albrecht Metternich-Sándor: „Der zweite Weltkrieg und die Nachkriegszeit haben das Schloß an den Rand der Zerstörung gebracht. Nach dem Staatsvertrag hat wohl kaum jemand mehr an eine Rettung geglaubt.“